Demenz
Demenzerkrankte bekommen zu häufig Antipsychotika statt Antidementiva
Menschen mit Demenz bekommen seitens des
Pflegepersonals häufig nur Beruhigungsmittel statt der
eigentlich angebrachten Antidementiva verabreicht. Das
hat das Socium-Forschungszentrum der Universität
Bremen im Rahmen einer Studie in Zusammenarbeit mit
der Techniker Krankenkasse (TK) festgestellt.

Dabei sei vor allem bei der Anwendung von
Antipsychotika bei Menschen mit Demenz das erhöhte
Risiko eines vorzeitigen Todes seit vielen Jahren
bekannt, so Studienleiter Prof. Dr. Gerd Glaeske, Co-Leiter
der Socium-Abteilung "Gesundheit, Pflege &
Alterssicherung". Solche Arzneimittel, zu denen auch
noch Tranquilizer und Schlafmittel hinzukämen, stellten
zwar die Menschen ruhig und bedeuteten daher für das
Personal weniger Pflegeaufwand im Sinne von "satt,
sauber, ruhig". Sie seien aber keine Mittel, die ein
menschenwürdiges Leben für Alzheimerpatienten fördern.
Das sei eine gravierende Fehlversorgung und lasse sich
nicht mit medizinischen Leitlinien erklären, so
Glaeske: "Hier liegt der Verdacht nahe, dass demente
Menschen einfach ruhiggestellt werden, statt sie
richtig zu behandeln."
Im Ungang mit Demenzerkrankten seien andere Maßnahmen
notwendig, wie etwa eine aktivierende Pflege, mit der
die Alltagsfähigkeiten der betroffenen Menschen
möglichst lange erhalten bleiben sollen. "Eine
Arzneimitteltherapie soll nutzen und nicht schaden –
dies scheint aber bei der viel zu häufigen Anwendung
von Neuroleptika für Menschen mit Alzheimerdemenz
vergessen zu werden", so Glaeske.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste
(bpa) hat den
Vorwurf der Fehlversorgung von Menschen mit einer
Alzheimerdemenz durch Pflegekräfte hingegen
zurückgewiesen. "Behauptungen, Pflegebedürftige würden
mit Medikamenten traktiert, um Zeit zu sparen, sind
falsch und unsinnig", so bpa-Präsident Bernd Meurer.
Nicht die Pflegeheime und ihre Beschäftigten, sondern
Ärzte stellten Rezepte und damit Medikationspläne aus,
an die sich die Heime strikt hielten. Wenn
Wissenschaftler und Krankenkassen zum
Verordnungsverhalten von Ärzten forschten, sei es
unredlich, bei vermuteten Fehlentwicklungen kurzerhand
die Pflegeheime zu verdächtigen. Die Vorwürfe gegen
Mitarbeitende in Pflegeheimen seien konstruiert, sagte
Meurer.
Für die Studie, ein Sonderkapitel des "Innovationsreports 2018", wurden
Verordnungsdaten der TK ausgewertet. Demnach bekommen
14 Prozent der TK-Versicherten mit Demenz
ausschließlich ein Antidementivum. Neun Prozent werden
sowohl mit einem Antidementivum als auch mit einem
Beruhigungsmittel behandelt. Rund ein Viertel erhält
ausschließlich ein Antipsychotikum. Die Hälfte der
Patienten bleibe unbehandelt, heißt es.
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