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Qualitätsmanagement Teil 2: An der Kennzahl sollt ihr sie erkennen

Der zweite Beitrag unserer Serie zur neuen Qualitätsermittlung zeigt Ihnen, wie die Qualitätsindikatoren ermittelt und die dafür notwendigen Daten erfasst werden.

Foto: Werner Krüper

Qualitätsindikatoren sollen mehr Transparenz für den Verbraucher bei der Wahl einer Einrichtung schaffen. Sie fokussieren auf die für Bewohner und Angehörige wahrnehmbaren Ergebnisse der Versorgungsleistungen einer Einrichtung. Am 12. Februar 2019 wurden die vereinbarten Regelungen zur Erfassung der Indikatoren in den gemeinsamen Maßstäben und Grundsätzen auf der Webseite des Qualitätsausschuss Pflege bekannt gegeben (www.gs-qsa-pflege.de/dokumente-zum-download/). Sie traten zum 1. März 2019 in Kraft.

Um eine Einrichtung mit einer anderen vergleichen zu können, benötigt man eine Maßeinheit. Bisher hat das Schulnotensystem diese Aufgabe erfüllt. Typisch für eine Schulnote ist, dass sie misst, in welchem Umfang eine zuvor definierte Anforderung erfüllt wird. Alternativ dazu ist es in der Wirtschaft üblich, Informationen quantitativ zusammenzufassen und in einer Kennzahl auszudrücken. Der Unterschied zur Schulnote liegt zunächst einmal darin, dass diese Zahl entsteht, ohne dass eine Bewertung erfolgt. So werden Unternehmen häufig nach der Zahl der Beschäftigten oder dem erzielten Umsatz miteinander verglichen.

Indikatoren geben Auskunft über die Entwicklung der Qualität

In Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern werden schon seit vielen Jahren Kennzahlen zur Steuerung betrieblicher Abläufe erhoben, etwa im Kontext der Personalplanung. Mit dem Indikatorenmodell wird die Arbeit mit Kennzahlen nun auch auf die Ergebnisse der Pflege- und Betreuungsleistungen in den Einrichtungen ausgeweitet. Viele Einrichtungen haben in der Vergangenheit hierzu bereits einzelne Kennzahlen erhoben – etwa zur Zahl der Stürze – und betriebsintern die Zahlen miteinander verglichen. Durch den Vergleich der Zahlen hat man sich erhofft, Hinweise und neue Erkenntnisse zu Sturzursachen und präventiven Maßnahmen zu gewinnen. Sie dienen also als ein Indikator (Anzeichen) für erwünschte oder unerwünschte Entwicklungen im Sturzgeschehen.

Eine Kennzahl als Indikator ist jedoch immer interpretationsbedürftig. Die Zahl „30 Sturzereignisse in 2018“ ist eine quantitative Information, die erst durch die Interpretation eine Bedeutung erlangt. Sie gibt keinerlei Auskunft zu den durchgeführten prophylaktischen Maßnahmen. Als Interpretationshilfe dient ein Vergleich der Zahlen zwischen Einrichtungen oder eine Betrachtung über einen zeitlichen Verlauf. Die Qualitätsindikatoren nutzen beides, um Einrichtungen, Kostenträgern und Verbrauchern eine Einordnung zu erleichtern. Dazu schlagen die Wissenschaftler eine Orientierung am Durchschnittswert aller Einrichtungen sowie eine Darstellung über zwei bis drei Erhebungszeitpunkte vor.

Bei der Frage, woran man aus Verbrauchersicht die Qualität von Versorgungsleistungen festmachen kann, steht die psychische und physische Gesundheit, sprich die Lebensqualität des Bewohners im Mittelpunkt. Bereits vor mehr als zehn Jahren hat die damalige Regierung einen Projektauftrag zur „Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe“ an zwei Forschungsinstitute vergeben. Nach dreijähriger Projektarbeit wurde 2011 der Abschlussbericht vorgelegt, der die Grundlage für das neue Indikatorenmodell bildete.

Eine umfangreiche Erprobung in der Praxis und Weiterentwicklung erfolgte seit 2012 in einem Kooperationsprojekt, an dem mehrere hundert Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft beteiligt waren. Die wissenschaftliche und methodische Güte des Indikatorensets wurde von einem weiteren Forschungsteam in 2017 untersucht, während parallel zwei Forschungsinstitute an dem Projekt „Entwicklung der Instrumente und Verfahren für Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI und die Qualitätsdarstellung nach § 115 Abs. 1a SGB XI in der stationären Pflege“ arbeiteten. Der Abschlussbericht dieses Projekts ist die Basis der aktuellen Regelungen durch den Qualitätsausschuss Pflege.

Das Indikatorenset, bestehend aus 15 Kennzahlen in drei Qualitätsbereichen, ist in der nachfolgenden Übersicht abgebildet. Im ersten Qualitätsbereich soll mit diesen Kennzahlen die Wirksamkeit einer aktivierenden Pflege und Betreuung mit Blick auf die Selbstständigkeit des Bewohners sichtbar werden. Im zweiten Qualitätsbereich geht es um die Vermeidung typischer Risiken in der Langzeitpflege und damit um die Wirksamkeit der durchgeführten Prophylaxen. Der dritte Bereich berücksichtigt die Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen, das Schmerzmanagement und die Integration neuer Bewohner nach Einzug. Die Kennzahlen repräsentieren somit in der Pflegepraxis bekannte Routinen.

Einrichtungen erfassen die Daten eigenständig

Neu ist, dass alle stationären Einrichtungen im Abstand von sechs Monaten bei allen Bewohnern die Ergebnisse ihrer Versorgungsleistungen erfassen. Dazu gibt es ein computer-gestütztes Formular und für jede Einrichtung definierte Stichtage. Die Pflegeeinrichtung registriert sich bei der Datenauswertungsstelle (DAS) und erhält eine Einrichtungsnummer. In diesem Zusammenhang legt die Einrichtung auch ihren individuellen verbindlichen Stichtag fest. Dazu wählt sie aus den verfügbaren Tagen in einem Internetkalender der DAS ihren Wunschtermin aus. Der Stichtag ist dann maßgeblich für den Sechs-Monats-Rhythmus in den Folgejahren und nicht mehr änderbar.

Die Pflegefachkraft oder die Wohnbereichsleitung füllt für jeden Bewohner das Erhebungsinstrument aus. Sie verschlüsselt den Bewohnernamen mit einem Code, damit der Datenschutz gewahrt bleibt. In einer Bewohnerliste sind die Codierungen dokumentiert. Der Code (Pseudonym) setzt sich aus der Einrichtungsnummer und einer fortlaufenden Bewohnernummer, die von der Einrichtung selbst vergeben wird, zusammen. In der Regel existieren in den Einrichtungen bereits Bewohnernummern, so dass dafür vielfach kein neues System geschaffen werden muss.

Die bewohnerindividuellen Erhebungen werden an die DAS weitergeleitet. Die DAS ist am Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut) in Göttingen angesiedelt. Das Institut hat unter www.das-pflege.de ein Webportal eingerichtet. Innerhalb des Portals stehen den registrierten Einrichtungen die Masken zur elektronischen Erfassung der Daten zur Verfügung. Die Anlage 3 zu den gemeinsamen Maßstäben und Grundsätzen (MuG) zeigt das Erhebungsinstrument in Papierform und erläutert in einem Manual, worauf beim Ausfüllen zu achten ist.

Zeitaufwand von 20 Minuten pro Bewohner

Inhaltlich sind die zu erfassenden Daten in der normalen Pflegedokumentation in der Regel enthalten. Die Selbstständigkeit wird analog zum Begutachtungsinstrument und den dort pflegefachlich konkretisierten Kriterien in den Modulen Mobilität, Selbstversorgung und Gestaltung des Alltagslebens erhoben. Das Modul Kognition und Kommunikation wird ebenfalls erfasst, da es zur Abgrenzung der Risikogruppen nach kognitiven Fähigkeiten zum Beispiel bei Sturzereignissen oder Gewichtsverlusten gebraucht wird.  Für die anderen Kennzahlen gibt es entweder bereits regelmäßige Erfassungssysteme in den Einrichtungen (etwa monatliche Informationslisten über Gewichte), oder aber sie werden aus den Verlaufsbögen der jeweiligen Pflegedokumentation entnommen (zum Beispiel Wunddokumentation, Fixierungsnachweise, Sturzprotokolle).

Aus den Praxisprojekten habe sich für die Datenerhebung ein durchschnittlicher Zeitaufwand von zirka 20 Minuten pro Bewohner herauskristallisiert, heißt es im Abschlussbericht. Dieser Zeitaufwand wird dann in dem jeweiligen Dienstplan zum Stichtag zu berücksichtigen und einzuplanen sein.  Die Einrichtung hat für die Erhebung der Informationen aller Bewohner ein Zeitfenster von 14 Tagen zur Verfügung. Grundsätzlich ist eine Vollerhebung vorgesehen, also die Erfassung der Daten aller Bewohner. Es gibt aber Ausnahmen: die allgemeinen und spezifischen Ausschlusskriterien, die in Anlage 3 der MuG ebenfalls erläutert werden. Bewohner, bei denen ein allgemeines Ausschlusskriterium (siehe Infokasten) zutrifft, werden nicht in die Erhebung einbezogen, sondern auf der Bewohnerliste entsprechend vermerkt. Die spezifischen Ausschlusskriterien treffen nur für einzelne Indikatoren zu, so dass nicht bei jedem Bewohner immer alle Indikatoren erhoben werden können.

Das Vorgehen soll hier zum Verständnis am Beispiel der Kennzahlen „Stürze mit gravierenden Folgen“ kurz verdeutlicht werden. Ein komplett immobiler Bewohner wird in der Regel nicht stürzen. Deshalb sind bei diesen Kennzahlen alle Bewohner ausgeschlossen, die beim Positionswechsel im Bett gänzlich unselbstständig sind. Die Information wird dem Kriterium eins im Modul Mobilität des Begutachtungsinstruments entnommen. Ein Wohnbereich, der nur Wachkoma-Patienten versorgt, wird diesen Indikator also nicht ausweisen.

Datenauswertung, Feedback und Bewertung der Qualität

Nach Ablauf des Erfassungszeitraums prüft die DAS die erhaltenen Daten auf Plausibilität. Es wird geprüft, ob die Angaben rein datentechnisch stimmig sind, da es sein könnte, dass Fehler in Datumsangaben beim Eingeben passiert sind oder ein Kriterium nach dem Begutachtungsinstrument falsch angekreuzt wurde – beispielsweise ein komplett immobiler Bewohner, der gleichzeitig noch selbstständig die Treppe hochgehen kann. Die DAS ¬informiert die Einrichtung innerhalb von sieben Tagen über festgestellte Unstimmigkeiten in der Datenerhebung. Dann hat die Einrichtung 14 Tage Zeit, die Rückmeldung zu bearbeiten und entsprechende Korrekturen vorzunehmen.

Im Anschluss an die Korrekturphase wertet die DAS die Informationen aus und generiert die Kennzahlen. Dazu liegt für jede Kennzahl eine genaue Beschreibung in Anlage 2 der MuG vor. Die DAS hat für die Auswertung sieben Tage Zeit. Dann muss sie die Ergebnisse an die Pflegeeinrichtung in Form eines Feedbackberichts sowie an die Pflegekasse und den MDK weiterleiten. Die Einrichtung erhält eine Rückmeldung zu ihren Kennzahlen, den Referenzwerten und zum Verlauf der letzten drei Erhebungszeitpunkte (siehe Abbildung 1). Im Rahmen der Qualitätsprüfung durch den MDK wird anhand der Stichprobe eine zweite Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Wir kommen in den nächsten Beiträgen darauf zu sprechen.

Nun werden die Kennzahlen aber nicht einfach nur in einem Vergleich zu anderen Einrichtungen einsortiert, sondern sie werden jeweils einer Bewertung mit Blick auf die Qualität unterzogen. Die hierfür erforderlichen Vereinbarungen sind in der Darstellungsvereinbarung geregelt, die zunächst über Monate im Qualitätsausschuss Pflege kontrovers diskutiert wurde. Dem Vorschlag der Wissenschaftler im Abschlussbericht folgend wurde eine Einteilung für jeden Indikator in fünf Bereiche vorgenommen, symbolisiert durch ausgefüllte Punkte:

Die Ergebnisqualität liegt

  • weit über dem Durchschnitt,
  • leicht über dem Durchschnitt,
  • nahe beim Durchschnitt,
  • leicht unter dem Durchschnitt,
  • weit unter dem Durchschnitt.