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Heftige Debatte um hessisches Modellprojekt

Die Entscheidung des hessischen Landtags, die
Altenpflegehilfeausbildung auch für Menschen ohne
Schulabschluss zu öffnen (wir berichteten), schlägt hohe
Wellen. Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
befürchtet ob dieser Pläne nun eine Zunahme von Gewalt
in der Pflege, was wiederum der bpa Hessen
"unerträglich" nennt. 

- Ausbildung auch ohne Schulabschluss: Das Modellprojekt in Hessen, das nicht zuletzt jungen Flüchtlingen mit Bleibeperspektive einen Weg in die Pflege weisen soll, findet vehemente Kritiker und Befürworter.

Der Landtag in Wiesbaden hatte Mitte Juni
durch eine Reform des Hessischen Altenpflegegesetzes den
Weg in die Altenpflege auch für Menschen ohne
Schulabschluss geöffnet. Im Rahmen eines Modellprojekts
sollen unter anderem junge Flüchtlinge mit
Bleibeperspektive eine Chance bekommen, im Rahmen einer
auf zwei Jahre verlängerten Ausbildung den Beruf des
Altenpflegehelfers zu ergreifen. Während der Ausbildung
muss der Hauptschulabschluss allerdings parallel
nachgeholt werden.

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
hält es für "äußerst bedenklich", wenn der Einstieg in
die Altenpflege künftig "ohne ausreichende
Mindestqualifikation" erfolgen kann, und befürchtet,
dass die Absenkung der Mindestvoraussetzung bei der
Altenpflegehelferausbildung in Hessen das Risiko von
Gewalt erhöhen könnte. "In der Altenpflege müssen
Kompetenzen, wie verstehende Demenzdiagnostik,
gewaltfreie Kommunikation und professioneller Umgang
mit herausforderndem Verhalten, Grundvoraussetzung für
dort tätige Mitarbeiter sein", sagt Hans-Josef Börsch,
Mitglied des Vorstandes der Landespflegekammer und
aktiv in der kammerinternen Arbeitsgruppe "Gewalt gegen
Pflegende". Pflegewissenschaftliche Studien zeigten,
dass Professionalität und ein hohes Maß an
Selbstreflexion wesentlich für die Gewaltprävention
seien. "Besonders die jungen Kollegen, die
möglicherweise schon vor ihrer Ausbildung Erfahrungen
mit Gewalt gesammelt haben, muss man auf diese
Situationen vorbereiten, entsprechend schulen und
gemeinsam aufarbeiten, auch um eine mögliche Eskalation
zu vermeiden", so Börsch.

Die Landesgruppe Hessen des Bundesverbandes privater
Anbieter sozialer Dienste (bpa) wiederum zeigt sich empört über die
inhaltliche Kritik am hessischen Modellprojekt. Die
Argumentation bediene "dumpfe Klischees", meint der
hessische bpa-Landesvorsitzende Jochen
Rindfleisch-Jantzon: "Wer angesichts einer kombinierten
Schul- und Berufsausbildung für geflüchtete Menschen
vor einer Zunahme der Gewalt in der Pflege warnt,
diskriminiert die ausbildungswilligen Geflüchteten,
setzt sie auf unerträgliche Weise herab und holt sich –
ob gewollt oder fahrlässig – Applaus aus der ganz
rechten Ecke ab."

Die in die Kritik geratene hessische Landesregierung
weist die Vorwürfe der Landespflegekammer
Rheinland-Pfalz zurück. "Die Aussagen entbehren
jedweder Grundlage", so Esther Walter, Sprecherin des
hessischen Ministeriums für Soziales und Integration,
"sie verunsichern die Menschen und sind ein Schlag ins
Gesicht bei der Fachkräfteanwerbung, die für diese
Branche so wichtig ist."