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Heimbewohner erhalten zu viele Medikamente

Ein Teil der rund 800.000 Pflegeheimbewohner in Deutschland erhält zu viele Psychopharmaka. Besonders betroffen sind vor allem die rund 500.000 Demenzkranken. Das zeigt eine vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geförderte Untersuchung der Klinischen Pharmakologin Prof. Dr. Petra Thürmann.

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Laut der Studie, deren Ergebnisse im gerade veröffentlichten "Pflege-Report 2017" des AOK-Bundesverbandes veröffentlicht worden sind, erhielten gut 30 Prozent der Bewohner ein Antidepressivum, wobei es kaum Unterschiede zwischen Pflegebedürftigen mit oder ohne Demenz gibt. Dagegen bekommen 40 Prozent der Bewohner mit Demenz dauerhaft mindestens ein Neuroleptikum, aber nur knapp 20 Prozent der Heimbewohner ohne Demenz.

"Der breite und dauerhafte Neuroleptika-Einsatz bei Pflegeheimbewohnern mit Demenz verstößt gegen die Leitlinien", sagt Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie am Helios Klinikum Wuppertal und Mitglied des BMG-Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Neuroleptika seien als Medikamente zur Behandlung von krankhaften Wahnvorstellungen, so genannten Psychosen, entwickelt worden. "Nur ganz wenige Wirkstoffe sind zur Behandlung von Wahnvorstellungen bei Demenz zugelassen", so die Medizinerin, "und dann auch nur für eine kurze Therapiedauer von sechs Wochen."

Die Pflegekräfte bestätigen das hohe Ausmaß an Psychopharmaka-Verordnungen in Pflegeheimen. Das belegt die im neuen "Pflege-Report" veröffentlichte schriftliche Befragung von 2.500 Pflegekräften durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO). Demnach geben die Befragten an, dass im Durchschnitt bei mehr als der Hälfte der Bewohner ihres Pflegeheims Psychopharmaka eingesetzt werden. Zwei Drittel der Betroffenen (64 Prozent) erhielten die Verordnungen auch länger als ein Jahr.