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Nach Flutereignis: Traumasensibles Arbeiten im Ahrtal
Ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal sieht die Leiterin des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr, Ulrike Dobrowolny, noch großen Nachholbedarf in der Unterstützung alter Menschen in der Region. Der Altenbereich sei bei den Flutereignissen im Sommer 2021 allein gelassen worden, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Laut Dobrowolny habe niemand realisiert, wie sich die traumatischen Erfahrungen auf die Menschen in den Pflegeheimen auswirkten und dass die Pflegekräfte entsprechend hätten vorbereitet werden müssen.
Aus der Not heraus hat die Diplom-Theologin in den vergangenen zehn Monaten eine Trauma- und Trauerkoordination im Ahrtal aufgebaut. Was die Menschen im Ahrtal erlebt hätten, sei eine Ohnmacht und ein „Abbruch von Leben in geballter Form“, betonte Dobrowolny. Im Gegensatz zu den Jüngeren fehle der älteren Generation die langfristige Aufbauperspektive. „Die Hochbetagten werden kein schönes neues Tal mehr erleben. Wir müssen ihnen helfen, wieder ins Leben zurückzufinden.“
Das mittlerweile sechsköpfige Koordinationsteam bietet für Beschäftigte in den Altenpflegeeinrichtungen Fortbildungen zum traumasensiblen Arbeiten sowie Supervision an. Bei Zeichen von Depressionen werden die Betroffenen an Fachleute vermittelt. Kooperationspartner sind bislang 23 stationäre Einrichtungen und ambulante Pflegedienste in der Region.
Die Seniorinnen und Senioren im Tal gingen unterschiedlich mit dem Erlebten um. Es gebe jene mit „ungeheurer Resilienz“, die die Flutnacht und das Chaos danach gut verarbeiten könnten. Andere verließen nicht mehr ihre Wohnungen. Heimbewohner treibe mehr die Sorge um ihre Kinder um, die in der Flut ihr Hab und Gut verloren hätten, es belaste sie sehr, dass sie ihnen nicht helfen könnten. Bei einer 93-jährigen Frau seien beispielsweise durch die Evakuierung Kriegserlebnisse wieder wach gerufen worden. „Wichtig ist hier ein zugewandtes Gespräch“, rät die Expertin. „Die größte Angst am Lebensende ist nicht die Angst vor dem Tod, sondern alleingelassen zu werden“, erzählt sie aus ihrer Hospizarbeit-Erfahrung.
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