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Pflegekammern: „Zu spät und falsch gestartet“

Der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell sieht die Idee der Berufskammern in einem „Sterbeprozess“.

Foto: Holger Jenrich Viele Pflegefachpersonen aus der Altenpflege sehen in Pflegekammernn keien Nutzen .

Angesichts des Scheiterns der Pflegekammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sagte der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell gegenüber dem Evangelischen Pressedienst, dass der Prozess für die „nachholende Verkammerung“ der Pflege zu spät und falsch gestartet sei.

Eine Hauptursache der aktuellen Misere liege darin, dass die Verkammerung der Pflege nicht in allen Bundesländern gleichzeitig angestoßen wurde, so Sell. Es gab von Anfang an mächtige Gegenspieler. Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi waren sich einig in ihrer Ablehnung. Viele Pflegefachpersonen aus der Kranken- und Altenpflege lehnten die Pflichtmitgliedschaft und Mitgliedsbeiträge ab.

Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz, sieht in Berufskammern dennoch den einzigen Weg, damit die Pflege als Verhandlungspartner auf Augenhöhe akzeptiert wird: „Pflegeleute sind nicht wie Autobauer und Metaller, die sich hinstellen und streiken.“ Das sieht auch Stefan Sell ähnlich. Die Pflege werde von niemandem ernstgenommen, solange weniger als zehn Prozent der Fachkräfte gewerkschaftlich organisiert seien: „Bis heute warten ganz viele Pflegekräfte auf den weißen Ritter aus der Politik, der ihre Probleme löst.“

Rheinland-Pfalz war 2014 das erste Bundesland, das den Aufbau einer Berufskammer für Pflegefachkräfte beschlossen hatte. Nun drohe es erneut zu einem einsamen „gallischem Dorf“ zu werden, glaubt Sell. Während Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihre Kammern bis Ende des Jahres abwickeln, steckt Nordrhein-Westfalen gerade mitten im Aufbau.