Ausbildung

Qualitätssiegel für die Pflegeausbildung: Warum es solche Ansätze braucht

Mit dem Qualitätssiegel “Top-Nachwuchsförderer” können Ausbildungseinrichtungen die Qualität ihrer Pflegeausbildung zertifizieren lassen. Die DBfK-Präsidentin Christel Bienstein hatte das in der Zeitschrift Altenpflege kritisiert: Ohne eine einheitliche Regulierung seien Zertifizierungsprozesse willkürlich und intransparent. Dieter Sicking, der das Ausbildungssiegel mit ins Leben gerufen hat, findet die Kritik unbegründet und erklärt, warum sich der DBfK für solche Ansätze öffnen sollte.

Dieter Sicking
Foto: privat Dieter Sicking hat das Ausbildungssiegel "Top-Nachwuchsförderer" ins Leben gerufen.

Ein Kommentar von Dieter Sicking, Zukunftswerkstatt Ausbildung

Ein Siegel gibt Azubis Orientierung

Das politische Contra-Statement der Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) reduziert das Thema aus unserer Sicht auf die Frage, wer eigentlich zertifizieren darf. Eine spannende Frage. Es zeugt von einem gesunden Macht- und Gestaltungswillen, wenn der DBfK seine alleinige Zuständigkeit und Kompetenz in Fragen der Qualität der Pflegeausbildung proklamiert. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Aber innovative Evaluations- und Zertifizierungsverfahren kommerzieller Anbieter pauschal als reines Marketing und allein profitorientiert abzuwerten, ist diffamierend und unlauter. Letzteres vor allem deshalb, weil man zumindest den Gegenstand seiner Kritik kennen sollte. Hier empfehlen wir Frau Prof. Bienstein einen Austausch mit Ausbildungsträgern, die bereits mit Hilfe unseres Evaluationsverfahrens eine fundierte und differenzierte Bestandsaufnahme der Qualität ihrer Pflegeausbildung erhalten haben und mit den Ergebnissen gezielt an der Verbesserung ihrer Ausbildung arbeiten – und jungen Menschen mit dem Ausbildungssiegel Orientierung bei der Wahl ihres Berufes und ihres künftigen Ausbildungsträgers geben.

Keine “top-down”-Regulierung

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat bereits vor zehn Jahren in einer Reihe von Modellversuchen zum Thema „Qualität der Berufsausbildung – Anspruch und Wirklichkeit“ überzeugend herausgearbeitet, dass die Qualität berufspädagogischer Lehr-/Lernprozesse nicht top-down reguliert und gesteuert werden kann. Zu unterschiedlich sind die (kulturellen) Rahmenbedingungen von Bildungseinrichtungen, als dass sie einer Vereinheitlichung unterworfen werden sollten (vgl. Michael Brater, 2014: Qualitätsentwicklung in der Berufsausbildung – „bottom up“, in: Martin Fischer, Hrsg.: Berichte zur beruflichen Bildung).

Den Vorschlag von Frau Prof. Bienstein, z.B. ein Zertifizierungsverfahren für Pflegeschulen in Anlehnung an Akkreditierungsverfahren für Studiengänge zu konzipieren, halten wir daher in diesem Zusammenhang für wenig zielführend und zukunftsweisend. Die Akkreditierungsverfahren sind sehr umstritten. Der Deutsche Hochschulverband bewertet sie als „Scheinverfahren ohne Aussagekraft“, die zudem „zu teuer, bürokratisch, langsam, ineffizient, rechtlich fragwürdig und autonomiefeindlich“ seien. Stattdessen plädiert der Verband für staatsferne Qualitätssicherungsverfahren, die im Wesentlichen von den Hochschulen selbst verantwortet werden.

Qualität ist immer subjektiv

Die Pflege sollte aus unserer Sicht den Empfehlungen der Hochschullehrer folgen. Das bedeutet: Qualität in der Pflegeausbildung kann nur bottom-up, d.h. vor Ort und als gemeinsame Aufgabe aller am Ausbildungsprozess Beteiligten, also der Auszubildenden, der Lehrenden, der Praxisanleiter und der jungen examinierten Pflegekräfte gesichert und weiterentwickelt werden – und nicht durch übergeordnete Instanzen wie z.B. eine Pflegeberufekammer.

Auch wenn der DBfK gerne die Deutungshoheit darüber hätte, was unter Qualität in der Pflegeausbildung zu verstehen ist: Qualität ist immer subjektiv. Wer eine attraktive Pflegeausbildung will, tut gut daran, neben dem rechtlichen Ordnungsrahmen vor allem die subjektive Objektivität des Einzelnen zu berücksichtigen. Unsere Erfolgsformel für die Gestaltung einer Top-Pflegeausbildung lautet deshalb: Qualität ist Transparenz plus Zusammenarbeit. Echte Qualität braucht Gespräch, Dialog, Verantwortung, Respekt und Freude an der Sache. Also all das, was man nicht von oben verordnen kann. Dabei unterstützen wir, das ist unsere Mission.