News

“Wir brauchen die Kultur des aufmerksamen Blicks”

Immer wieder erregt die Berichterstattung über
spektakuläre Fälle von Misshandlungen in
Pflegeeinrichtungen große Aufmerksamkeit. Der Alltag
ist komplexer, denn Gewaltereignisse in der Pflege
haben unterschiedliche Formen und Ursachen. Das legen
auch die Ergebnisse einer Befragung des Zentrums für
Qualität in der Pflege (ZQP) nahe.

- Foto: Werner Krüper

"Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen kann viele
Gesichter haben und fängt eben nicht erst beim Schlagen
an", sagt Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des
ZQP, im
Interview der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift
Altenpflege, die sich im
Schwerpunkt dem Thema Gewalt in der Pflege widmet. Laut
Suhr habe die Befragung im vergangenen Jahr klar
ergeben, dass in der Pflegebeziehung auftretende Gewalt
nur selten auf kriminelle Energie beim Täter oder
niedere Beweggründe zurückzuführen sei, sondern in
erster Linie aus fachlichen Fehlern resultiere. Nötig
sei daher "die Kultur des aufmerksamen Blicks, des
ständigen Lernens und der Weiterentwicklung", so Suhr.
Das sei die Grundlage, um präventive Strukturen zu
etablieren.

Diese Sicht der Dinge wird von Jürgen Osterbrink,
Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis
an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

Salzburg, in seinem Beitrag zum Thema bekräftigt. Seine
Untersuchungen ergaben, dass Gewaltereignisse oft in
der Pflegebeziehung selbst angelegt seien. "Gewalt in
der Pflege hat immer eine Vorgeschichte", so
Osterbrink, und werde meist durch das Zusammenspiel
mehrerer Faktoren ausgelöst. In der
institutionalisierten Pflege spielten zudem neben der
direkten Gewalthandlung als weitere Erscheinungsformen
die strukturelle Gewalt, etwa in Form von vorgegebenen
Tagesstrukturen, und die kulturelle Gewalt, etwa in
Form des vorherrschenden negativen Altersbildes, eine
wichtige Rolle.