News

Medizinisches Bündnis: Assistierter Suizid darf nicht zur Norm werden

Das Parlament berät derzeit zwei Gesetzentwürfe zur Regelung geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Ein entsprechendes Gesetz könnte noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen werden. Bundesärztekammer, wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften und das Nationale Suizidpräventionsprogramm haben vor einer voreiligen Entscheidung gewarnt. Auch dürfe Suizid nicht normalisiert werden.

Sterbehilfe
Foto: AdobeStock/nmann77

Um diese Gesetzentwürfe geht’s

Der Gesetzentwurf der parteiübergreifenden Abgeordnetengruppe um Renate Künast (Grüne) und Katrin Helling-Plahr (FDP) sieht vor, dass Ärztinnen und Ärzte Sterbewilligen frühestens drei Wochen nach einer Beratung Arzneimittel zur Selbsttötung verschreiben können. Einen etwas restriktiveren Ansatz verfolgt die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU): Ihr Gesetzentwurf sieht zwei Beratungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten vor sowie eine umfassende ergebnisoffene Beratung. Mehr dazu hier.

Das ist die Kritik

“Beide vorliegenden Gesetzesentwürfe bieten scheinbar einfache Lösungen für ein sehr komplexes Problem und sind das Ergebnis einer überwiegend juristischen Perspektive, die der Individualität von Sterbewünschen und der Lebenswirklichkeit von Betroffenen und im Gesundheitswesen Tätigen in keiner Weise gerecht wird“, findet Heiner Melching, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Er stellt eine gesetzliche Regelung grundsätzlich infrage: „Es kann aus unserer Sicht nicht gelingen, die Anliegen schwerstkranker Menschen, einsamer Hochaltriger oder auch junger Menschen, die in einer Krise ihr Leben beenden wollen, in eine Rechtsnorm zu pressen.“

Passend dazu: Urteil zu Zwangsernährung könnte Sterbehilfe erschweren

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt argumentiert, dass der erste Entwurf einer „gesellschaftlichen Normalisierung des Suizides“ Vorschub leiste. Zudem bringe er „erhebliche strafrechtliche Risiken“ für die Ärztinnen und Ärzte mit sich.

Darum braucht es ein Gesetz – oder?

Hintergrund der Beratungen zu einem neuen Gesetz ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020, mit dem die Verfassungsrichter das Sterbehilfe-Verbot gekippt hatten. Seitdem soll eine daran angepasste Regelung her.

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hingegen sieht keine zwingende Notwendigkeit für eine gesetzliche Regelung. „Ein eventueller, bisher empirisch nicht belegter Missbrauch lässt sich mit den bereits bestehenden Strafgesetzen ahnden“, so der Präsident Prof. Robert Rauch. Wichtiger sei, dass sich die Menschen grundsätzlich auf einen „Notausgang“ – gemeint ist die Inanspruchnahme von assistiertem Suizid – verlassen könnten.

Passend dazu: Arbeitshilfe soll Orientierung zu assistiertem Suizid geben